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Bundeswehr-Abhöraffäre: Russischer Lauschangriff: Offenbart der Taurus-Leak ein Sicherheitsproblem?

Russland veröffentlicht einen Mitschnitt eines geheimen Gesprächs zwischen deutschen Luftwaffen-Offizieren. Der brisante Vorfall erfordere Aufklärung, betonen deutsche Sicherheitspolitiker. Hat die Bundeswehr ein Sicherheitsproblem?

Abhöraffäre um Taurus-Leak: Russland veröffentlicht Mitschnitt von Gespräch zwischen deutschen Offizieren. (Foto) Suche
Abhöraffäre um Taurus-Leak: Russland veröffentlicht Mitschnitt von Gespräch zwischen deutschen Offizieren. Bild: picture alliance/dpa/south korea defense ministry/AP | Uncredited

Russland sorgt mit einer Bundeswehr-Abhöraffäre für Besorgnis über die deutschen Landesgrenzen hinweg.Die Chefin des russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, hatte am Freitag einen Audiomitschnitt des rund 30-minütigen, möglicherweise abgehörten Gesprächs veröffentlicht. Darin ging es unter anderem um den Taurus-Einsatz in der Ukraine. Der Vorfall wirft Fragen auf. Ging es um brisante Verteidigungsinfomationen? Stellt der Taurus-Leak ein Sicherheitsrisiko dar?

Taurus-Leak: Russland hört geheimes Bundeswehr-Gespräch ab

In dem Gespräch vom 19. Februar wurden teilweise militärisch sensible Informationen besprochen. Dennoch waren es eher Gedankenspiele. Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz sprach mit drei Kameraden. Es soll der Vorbereitung auf eine Unterrichtung für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gedient haben. In dem in der Audiodatei dokumentierten Austausch geht es unter anderem um die Frage, ob Taurus-Marschflugkörper technisch in der Lage wären, die von Russland gebaute Brücke zur völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zu zerstören. Ein weiterer Punkt ist, ob die Ukraine den Beschuss ohne Bundeswehrbeteiligung bewerkstelligen könnte. Zudem ging es um Taurus-Lieferungen. Er könne sich vorstellen erst 50 und dann noch einmal 50 Flugkörper zu liefern. es wurde auch gesagt, dass die Taurus-Marschflugkörper an dem Krieg nichts ändern würden. Nach dpa-Informationen ist das Gespräch authentisch.

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Allerdings ist in dem Mitschnitt auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der von Kiew geforderten Marschflugkörper gibt. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich zuletzt gegen eine Lieferung aus. Brisant ist, dass die Rede davon ist, dass die Briten im Zusammenhang mit dem Einsatz ihrer an die Ukraine gelieferten Storm-Shadow-Marschflugkörper "ein paar Leute vor Ort" hätten. Gerade erst hatte es in Großbritannien Verärgerung gegeben über eine Äußerung von Kanzler Olaf Scholz gegeben, die ihm von einigen als Indiskretion ausgelegt wurde. "Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden", sagte der SPD-Politiker. Was er genau damit meint, ließ er offen. Der Satz wurde aber von einigen als Hinweis verstanden, Franzosen und Briten würden die Steuerung ihrer an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper Storm Shadow und Scalp mit eigenen Kräften unterstützen. Ein Sprecher des britischen Premierministers Rishi Sunak dementierte das umgehend: "Der Einsatz des Langstreckenraketensystems Storm Shadow durch die Ukraine und der Prozess der Zielauswahl sind Sache der ukrainischen Streitkräfte."

Sorge vor Sicherheitslücke nach Taurus-Abhöraffäre

Was die ganze Geschichte so brisant macht, sind Fragen nach möglichen Sicherheitsproblemen. Wurde eine Sicherheitslücke offen gelegt? Hat Russland gezielt eine Abhöraktion gestartet? Im Mittelpunkt steht Plattform Webex. Mit der Videokonferenztechnik schalteten sich die Offiziere zusammen. Die Sitzung lief über eine Büro-Festnetzleitung der Bundeswehr, die das Gespräch auf die Mobiltelefone der Offiziere leitete, berichtet "Bild am Sonntag" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Sicherheitskreise haben Untersuchungen eingeleitet. Es wird geprüft, ob Webex für den Austausch von Informationen der niedrigsten Geheimhaltungsstufe "Verschlusssachen - nur für den Dienstgebrauch" zugelassen ist und wie die in der Besprechung genannten Details eingestuft sind. Damit soll festgestellt werden, wie schwer ein möglicher Sicherheitsverstoß sei. 

Lauschattacke auf Bundeswehr-Offiziere: Wie sicher ist die Webex-Variante?

 

Die Webex-Sitzung sei wiederum über eine Büro-Festnetzleitung der Bundeswehr auf die Mobiltelefone der Soldaten abgesetzt worden, schrieb die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die Zeitung berichtet unter Berufung auf Sicherheitskreise, geprüft werde jetzt, ob die verwendete Webex-Variante für den Austausch von Informationen der niedrigsten Geheimhaltungsstufe "Verschlusssachen - nur für den Dienstgebrauch" zugelassen ist und wie die in der Besprechung genannten Details eingestuft sind. Damit solle festgestellt werden, wie schwer der Verstoß gegen Sicherheitsregeln wiege. Eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums sagte, sagte der "Bild"-Zeitung, dass man Anhaltspunkte habe, dass "ein nicht ausreichend sicheres Kommunikationsmittel verwendet wurde." Sie hatte am Freitagabend erklärt, man prüfe, ob Kommunikation im Bereich der Luftwaffe abgehört wurde. Der Militärische Abschirmdienst habe "alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet". "Zum Inhalt der offenbar abgehörten Kommunikation können wir nichts sagen." 

Putins Lauschangriff: Plante Russland weitere Abhöraktionen?

Sicherheitskreise sollen befürchten, dass Russland nicht nur die Taurus-Gespräche, sondern weitere Gespräche anderer Politiker abgehört haben könnten. CDU-Bundestagsabgeordneter und Oberst a.D. Roderich Kiesewetter vermutet dahinter eine gezielte Absicht Russlands. "Man muss davon ausgehen, dass das Gespräch ganz gezielt durch Russland zum jetzigen Zeitpunkt geleakt wurde in einer bestimmten Absicht. Diese kann nur darin liegen, eine Taurus-Lieferung durch Deutschland zu unterbinden", sagte Kiesewetter gegenüber dem "ZDF". Dafür und weitere Abhörfälle gebe es aber keine Hinweise, so die Sprecherin.

Sicherheitspolitiker fordern Konsequenzen nach veröffentlichtem Bundeswehr-Mitschnitt

Sicherheitspolitiker forderten Konsequenzen. "Wir müssen dringend unsere Sicherheit und Spionageabwehr erhöhen, denn wir sind auf diesem Gebiet offensichtlich vulnerabel", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Johann Wadephul forderte die Bundesregierung auf, die Vorschriften für den Schutz von Kommunikation nachzuschärfen. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz sagte dem RND: "Es stellt sich die Frage, ob es sich hier um einen einmaligen Vorgang oder ein strukturelles Sicherheitsproblem handelt." Er erwarte "umgehende Aufklärung aller Hintergründe", forderte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Florian Hahn, forderte nun, dass der Kanzler sich im Verteidigungsausschuss des Bundestags erklärt. Aus seiner Sicht untermauert das angebliche Luftwaffen-Gespräch, dass ein Einsatz von Taurus durch die Ukrainer auch ohne Bundeswehr-Personal vor Ort möglich wäre. "Wenn der Mitschnitt echt ist, sind die Aussagen des Kanzlers aus dieser Woche nicht nur unangemessen, sondern falsch", sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Minister Pistorius habe sich explizit zum Taurus einschließlich Einsatzmöglichkeiten unterrichten lassen. "Daher ist es kaum vorstellbar, dass Scholz von dieser militärischen Einschätzung nichts wusste." Obwohl er militärisch vorausschauende Planung für durchaus normal halte, sei hier Aufklärung gefordert. "Ich erwarte Bundeskanzler Scholz hierzu im Verteidigungsausschuss."

Olaf Scholz will eine schnelle Aufklärung

Bundeskanzler Olaf Scholz hat nach Bekanntwerden des veröffentlichten Mitschnitts eine schnelle Aufklärung versprochen. Am Rande eines Besuchs im Vatikan sprach der SPD-Politiker am Samstag von einer "sehr ernsten Angelegenheit". Auf eine Frage der Deutschen Presse-Agentur nach möglichen außenpolitischen Schäden sagte er: "Deshalb wird das jetzt sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig aufgeklärt. Das ist auch notwendig." 

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/news.de/dpa

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