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Bundeslockdown 2021: Inzidenz, Ausgangssperre und Co.! Was taugt die Merkel-Notbremse wirklich?

Angela Merkel will im Eilverfahren das Infektionsschutzgesetz aktualisieren. Demnach würden Maßnahmen nicht nur bundesweit einheitlich geregelt, sondern die Bundesregierung hätte auch deutlich mehr Macht. Doch mehrere Punkte sprechen gegen die geplante Notbremse.

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Was taugt die Merkel-Notbremse wirklich? Bild: dpa

Nachdem der geplante Corona-Gipfel abgesagt wurde, schaltet Angela Merkel nun in den Turbo. Bis Ende der Woche will die Bundeskanzlerin die Änderung des Infektionsschutzgesetzes durchgeboxt haben. Ab einem Inzidenzwert von 100 müssen Landkreise dann die Notbremse ziehen. Bislang stoßen Merkels Pläneweitgehend auf Zustimmung.In den kommenden Tagen könnten Bund und Länder aber noch harte Verhandlungen zu den Details des geplanten Gesetzes bevorstehen. Am Dienstag soll der Entwurf im Kabinett verabschiedet werden und dann möglichst schnell in Bundestag und Bundesrat kommen.

Änderung des Infektionsschutzgesetzes geplant! Kommt schon Ende der Woche der Bundeslockdown?

Weil die Länder vereinbarte Maßnahmen gegen die dritte Infektionswelle uneinheitlich umsetzten und die Infektionslage zugleich mehr und mehr außer Kontrolle gerät, soll die "Notbremse" gesetzlich verankert werden. In Landkreisen mit mehr als 100 wöchentlichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern müssten die Einschränkungen dann verpflichtend wieder verschärft werden. Das beträfe aktuell mehr als die Hälfte der Landkreise in Deutschland.

Der Städtetag begrüßte, dass ein gemeinsamer Rahmen geschaffen werden soll. Um Vertrauen zurückzugewinnen, brauche es eine gute Kommunikation von Bund und Ländern, sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Bisher gab es zu viel Durcheinander in den Ländern." Doch es gibt auch Kritik an der geplanten Merkel-Notbremse. Folgende Punkte werden massiv bemängelt:

  • ausschließliche Orientierung am Inzidenzwert
  • Ausgangssperre
  • keine Freiheiten für Geimpfte
  • Entmachtung des Bundestags 

Inzidenzwert, Ausgangssperren und Co.! DARUM ist die Merkel-Notbremse Murks

Mehrere Fraktionen halten die Vorschläge des Bundes für hoch problematisch. "Insbesondere die Frage der Ausgangssperren ist ein dermaßen tiefer Eingriff in die Bewegungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger, der nicht einfach en passant beschlossen werden kann", warnte der erste parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, in einem Brief an das Gesundheits- und das Innenministerium. Außerdem fehlten verpflichtende Regelungen für große Unternehmen, während im privaten Bereich massiv eingeschränkt werde.

Die FDP kritisierte die Ausgangsbeschränkung als unverhältnismäßig. "Beispielsweise geht vom abendlichen Spaziergang eines geimpften Paares keinerlei Infektionsgefahr aus", gab Parteichef Christian Lindner zu bedenken. Zahlen aus Baden-Württemberg zeigten außerdem, dass eine nächtliche Ausgangssperre keine nachweisbaren Effekte auf das Infektionsgeschehen habe, schreibt die "Bild". Während die Menschen in Baden-Württemberg monatelang abends nicht rausdurften, gab es in Nordrhein-Westfalen keine Ausgangssperre. Dennoch verliefen die Inzidenzkurven beider Bundesländer nahezu identisch. Demnach gab es in Baden-Württemberg bislang durchschnittlich 80,3 Corona-Tote auf 100.000 Einwohner. In NRW sind es 81,2 Tote. 

Falsch sei laut Lindner auch die alleinige Orientierung an dem Inzidenzwert 100. "Als Auslöser für massive Freiheitseinschränkungen ist eine schwankende Zahl, die auch nur politisch gegriffen ist, nicht geeignet", sagte er. Bisher ist im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben, dass neben der Inzidenz auch die Impfquote und die Bettenauslastung in den Krankenhäusern berücksichtigt werden müssen. Doch Merkels Gesetzesänderung wendet sich davon offenbar ab. Demnach soll dann nur noch der Inzidenzwert für Lockerungen oder Verschärfungen maßgebend sein.

"Eklatante Verletzung der Grundrechte!" Keine Freiheiten für Geimpfte

Sobald in Deutschland geplante Freiheiten für Geimpfte angesprochen werden, entbrannte heftige Kritik. Nun kritisiert die "Bild" ausgerechnet, dass in der geplanten Gesetzesänderung keine Ausnahmen für Geimpfte vorgesehen sind. Die Maßnahmen sollen für alle Menschen gelten, obwohl das Ansteckungsrisiko durch Geimpfte nur minimal sei. "Ausgangssperren sind verfassungswidrig, wenn es keine Ausnahmen für geimpfte und genesene Personen gibt, von denen keine Ansteckungsgefahr ausgeht", warnt Staatsrechtler Josef Franz Lindner gegenüber der "Bild". "Dass ein Geimpfter zum Beispiel nach 21 Uhr seine Wohnung nicht mehr verlassen darf, ist eine eklatante Verletzung seiner Grundrechte."

Entmachtung des Bundestags! Merkel könnte allein weitere Verbote verhängen

Zwar klingen gleiche Maßnahmen für alle zunächst sehr gerecht, doch laut einer Untersuchung des Robert-Koch-Instituts ist das Risiko an Corona zu sterben in finanziell schwächeren Landkreisen deutlich höher als in wohlhabenden Regionen. Zudem bedeutet die Änderung des Infektionsschutzgesetz eine Entmachtung des Bundestags. Die Bunderegierung könne dann ohne Rücksprache mit dem Parlament neue Verbote erlassen. "Die Bundesregierung will ohne den Bundestag Verordnungen erlassen. Das macht die SPD-Fraktion nicht mit", warnt Rechtsexperte Johannes Fechner in der "Bild". "Wir erteilen der Bundesregierung keinen Blankoscheck für den Lockdown."

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/loc/news.de/dpa

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