Von news.de-Mitarbeiter Björn Keller - Uhr

Rohstoff-Recycling: Platin aus dem Straßenstaub

Straßenstaub ist die neue Goldmine: Direkt vor unserer Haustür liegt Edelmetall im Wert von mehreren Millionen Euro im Dreck. Pro Jahr sammeln sich 250 Kilogramm Platin auf deutschen Straßen. Deutsche Forscher wollen es nun fördern.

Autos blasen Platin im Millionenwert auf Deutschlands Straßen. (Foto) Suche
Autos blasen Platin im Millionenwert auf Deutschlands Straßen. Bild: dpa

Die Rohstoffpreise steigen extrem an. Auch bei Platin. Das Edelmetall wird dringend gebraucht für die Produktion von Herzschrittmachern, Laserdruckern, Flugzeugtriebwerken und Katalysatoren. Es gibt zwei Möglichkeiten, um den Rohstoffhunger der Industrie zu stillen: entweder günstig unter der Erde fördern oder clever recyceln.

Die Erschließung neuer Vorkommen ist bei Platin aber äußerst kompliziert. Professor Jörg Matschullat, Direktor des IÖZ (Interdisziplinäres Ökologisches Zentrum) an der TU Bergakademie Freiberg zu news.de: «Es gibt weltweit wenige Lagerstätten und Bergwerke, die das Primärmetall Platin fördern, zum Beispiel in Afrika, Lateinamerika und in Russland. Nur sind die Vorkommen sehr, sehr gering konzentriert. Deswegen hat Platin einen immens hohen Marktwert.»

Der Preis für ein Gramm Platin beträgt 43 Euro. Deshalb wird Variante 2 immer attraktiver: Recycling - sogar aus dem Straßenstaub. Jährlich 250 Kilogramm Platin lagern sich laut einer Studie des Helmholtz Zentrums München auf deutschen Straßen ab. Das Edelmetall wird vor allem aus den Katalysatoren der Autos auf die Straße geblasen - die jährlich ausgestoßene Menge hätte einen Wert von 10,55 Millionen Euro. Da lohnt sich das Straßenkehren der anderen Art. «Ungezielte Vorversuche starteten in den 1990er Jahren, jetzt mit den steigenden Rohstoffpreisen wird das zunehmend interessanter. Wir wollen Rohstoffe, die über die Verkehrsemission freigesetzt werden, wieder zurückgewinnen», sagt Matschullat.

Könnte man das Platin von der Straße holen, hätte das noch einen anderen Vorteil: Da viele Platin-Verbindungen im Verdacht stehen, Allergien auszulösen und sehr giftig sind, könnten die deutschen Straßen gereinigt werden. «Wir an der Bergakademie forschen an der Schnittstelle zu Recycling und Nachhaltigkeit. Alles, was im Kreislauf gefahren wird, ist gesünder, als Dinge, die nicht im Kreislauf gefahren werden», erklärt Matschullat.

Die Suche nach dem perfekten Verfahren

Das perfekte Verfahren zur Platin-Gewinnung wurde noch nicht erfunden. Professor Bernhard Michalke von der Zentralen Anorganischen Analytik im GSF-Institut für Ökologische Chemie hat herausgefunden, dass Quecksilbertropfen die Platinspuren einsammeln. «Der Ansatz kommt aus der Elektrochemie. Die vorhandenen Metalle sammeln sich am Quecksilbertropfen, an dem eine elektrische Spannung anliegt. Je länger die Spannung wirkt, um so mehr Metalle landen auf dem Quecksilbertropfen. Dann wird die Apparatur umgepolt. Eine niedrige Spannung löst die gesammelten Metalle. Bei einer bestimmten Spannung wird Platin freigesetzt.» Dieses Verfahren dient als Analyseinstrument, zur Förderung eignet es sich nicht.

Matschullat hält Straßenstaub trotzdem für die neue Goldmine. Auch wenn die Gewinnung sehr aufwendig ist, würde sie sich wegen des hohen Preises lohnen.  «Der heutige Goldabbau erfolgt bei unter einem Gramm pro Tonne, in diesem Verhältnis sind wir dann auch mit Platin.» Der Recyclingprozess könnte teure Importe aus Afrika und Russland ersparen.

Auch die Chemieingenieurin Angela Murray forscht mit Straßenstaub und interessiert sich für Platin, Palladium und Rhodium. Wie die Universität von Birmingham berichtet, setzt ihre Methode auf Bakterien, um Metalle aus dem Straßenstaub zu filtern. Die englische Forscherin verwendet Escherichia-Coli-Bakterien, an denen sich das Platin anlagert.

Während andere Wissenschaftler schon ihre Methoden in der Praxis erproben, gibt sich Matschullat noch geheimnisvoll: «Es liegt ein besonderer Wert in unserer Methodik. Das sind Ideen, die andere noch nicht gehabt haben.» Dieses Jahr soll der Startschuss für das Projekt fallen. «Im Sommer 2011 haben wir die Vor-Ergebnisse beisammen, dann geht die Antragstellung los.»

mik/reu/news.de