Von news.de-Redakteur Florian Blaschke - Uhr

Luxuswasser: Die neun Stufen zum Bling-Bling

Wer bei Durst nur an Sprudel denkt, an dem ist ein Trend vorbeigegangen. Denn Wasser ist Lifestyle. Aktuelle Marketingkampagnen versprechen: Wasser macht schön, glücklich und vor allem hip.

Hier wird für Wasser geworben. Der Slogan: «More Than A Pretty Taste» - «Mehr als ein feiner Geschmack». (Foto) Suche
Hier wird für Wasser geworben. Der Slogan: «More Than A Pretty Taste» - «Mehr als ein feiner Geschmack». Bild: news.de

Ein knackiger Damenpo, schöne lange Beine, ein entzückender Rücken, an die schlanke Hüfte schmiegt sich eine glitzernde Perlenkette. Wer es schafft, sich von diesem Anblick loszureißen, stellt fest: Hier wird für Wasser geworben. Der passende Slogan: «More Than A Pretty Taste» – «Mehr als ein feiner Geschmack».

Der edle Tropfen heißt Bling H2O und liegt voll im Trend. Längst trinkt die hippe Wohlstandsgeneration kein schnödes Selters mehr, Leitungswasser kam hier vielleicht noch nie auf den Tisch. 40 Dollar, umgerechnet 31 Euro, legt der Kunde für eine Flasche Bling H2O auf den Tisch und bekommt dafür mehr als nur einen Durstlöscher: In neun Stufen veredelt der Hersteller das Nass aus einer Quelle in Tennessee (USA). Unter anderem wird es mit Ozon behandelt, mit ultraviolettem Licht bestrahlt und mikrogefiltert. Die Mühe scheint sich zu lohnen: Bei einer internationalen Wasserverkostung im amerikanischen Berkeley wurde Bling bereits mit einer Goldmedaille für besten Geschmack prämiert.

«Bling» oder auch «Bling-Bling» steht für funkelnden Schmuck und eine protzige, fast schon aggressive Zurschaustellung von Reichtum. Ein Name, der verpflichtet, solch ein Wasser muss natürlich dem Anspruch seiner Kunden gerecht werden. Also füllt es der Produzent in aufwändig verzierte Flaschen ab: milchige, mit Swarowski-Kristallen besetzte Kunstwerke. Und damit auch jeder gleich weiß, an welche Zielgruppe sich Bling H2O richtet, gibt es beispielsweise die Varianten Paparazzi Label oder die Limited Edition «Paris Pink». Wasser mit Promifaktor, das sich auch gut auf Vernissagen, in Nobelrestaurants oder Clubs macht.

Anja Kirig, Trendforscherin am Zukunftsinstitut im hessischen Kelheim, hat den Wandel des Wassers hin zum Modeartikel unter die Lupe genommen: «Verbraucher wollen heute möglichst gesund leben und sich daher bewusst gesund ernähren», sagt sie. «Wasser ist eins der natürlichsten Lebensmittel überhaupt und vermittelt sozusagen die Basis des gesunden Lebensstils. Es ist quasi sowohl Grundnahrungsmittel als auch Lifestyleprodukt.» Laut dem Verband Deutscher Mineralbrunnen in Bonn haben die Deutschen im Jahr 2007 etwa 13,25 Milliarden Liter Mineralwasser getrunken, etwa die gleiche Menge Wasser fließt während eines Fußballspiels den Rhein hinunter – inklusive Nachspielzeit. Und der Verbrauch ist gestiegen, 2006 waren es noch 12,98 Milliarden Liter. Umgerechnet trinkt demnach jeder von uns mehr als 130 Liter pro Jahr, was der Branche einen geschätzten Umsatz von 3,2 Milliarden Euro beschert, erwirtschaftet von 223 Betrieben.

Was Popstar Madonna mit norwegischem Wasser zu tun hat

Guido Finger, der seit zwei Jahren das Wasserdepot in Alsdorf bei Aachen betreibt, lebt vom Trend zum Luxuswasser. «Angefangen hat das alles mit Voss», sagt er. «Das war das erste Designwasser, das auch komplett auf ein neues Marketing gesetzt hat und beispielsweise 1996 Madonna für seine Werbung gewinnen konnte.» Auf der «Suche nach dem Besonderen», wie Finger es nennt, sind die Deutschen allerdings erst seit einigen Jahren, «in anderen Ländern und vor allem den USA gibt es diesen Trend schon länger, hier sind wir noch in den Anfängen.» Vielleicht auch deshalb, weil es in Deutschland bereits eine so große Vielfalt gibt, geschätzte 400 bis 500 Mineralwässer sind auf dem Markt. «Davon allerdings nur sehr wenige für das gehobene Segment und wenn man dann noch einen bundesweiten Vertrieb möchte, sucht man vergebens.»

Luxuswasser wird denn auch meist aus exotischen Regionen der Erde importiert und spielt in einer ganz anderen Liga als klassischer Sprudel. Schon in gut sortierten Supermärkten bekommt man etwa Weta aus Neuseeland, (6,55 Euro für 750 Milliliter), Fiji, ein Wasser aus dem Regenwald (3,20 Euro pro Liter), das aufgrund des hohen Kieselsäuregehalts zur Stärkung von Haut, Haaren und Fingernägeln dienen soll oder Voss, ein norwegisches Wasser (3,50 Euro für 800 Milliliter), das aus der reinsten Quelle weltweit gewonnen wird. Zudem schafft es dieses Wasser aus eigener Kraft an die Erdoberfläche – «artesisch» nennen das Fachleute.

Das kann aber nicht nur Voss, auch das Wasser der japanischen Finé-Quelle (etwa fünf Euro für 700 Milliliter) sucht sich seinen Weg durch das Gestein selbst – wenn auch von oben nach unten. Das Regenwasser, das über dem Fuji, Japans höchstem Berg, niedergeht, sickert über Jahrtausende hinweg Tropfen für Tropfen durch unzählige Gesteinsschichten und sprudelt dann uralt und kostbar aus seiner Quelle. Den Weg durch den Vulkan wollen Fachleute im Wasser tatsächlich erschmecken können. «Die Unterschiede schmeckt man aber eigentlich erst im Vergleich verschiedener Produkte, bei gleicher Temperatur und aus dem gleichen Glas», sagt Guido Finger.

Wasser ermöglicht aber nicht nur Reisen in fremde Länder – zumindest im Kopf –, sondern auch zurück in der Zeit. 10 thousand BC ist einerseits der klangvolle Name eines kanadischen Gletscherwassers, andererseits aber vor allem der Zeitpunkt, zu dem es zuletzt flüssig war, bevor es in Flaschen kam: 10.000 vor Christus. Nördlich von Vancouver wird dieser Tropfen heute direkt vom schmelzenden Gletscher abgefüllt und für 7,90 Euro pro 750 Milliliter verkauft.

Wie viel das teuerste Wasser der Welt kostet

Wer nun denkt, damit sei die Spitze des Eisbergs erreicht, irrt. Ebenfalls in Japan bekommt man das wohl teuerste Wasser der Welt: Kona Nigari, das zu einem Literpreis von 410 Euro angeboten wird. Es wird vor der hawaiianischen Küste aus 2000 Metern Tiefe gefördert, 80.000 Flaschen liefert der Hersteller täglich auf das japanische Festland. Das entsalzte Tiefseewasser weist einen sehr hohen Mineralstoffanteil auf und soll äußerst gesundheitsfördernd sein. Der Trick: Man soll es verdünnt trinken, was nicht nur die Gesundheit fördert, sondern auch dem Geldbeutel gut tut. Für ihn können die kleinen 55-Milliliter-Fläschchen (Stückpreis etwa 22,50 Euro) sonst schnell zum Fiasko werden.

Eine entscheidende Rolle spielen bei solchen Luxusprodukten Verpackung und Marketing. Jahrzehntelang wurde Mineralwasser in Deutschland in die typischen grünen oder weißen Flaschen abgefüllt, egal, aus welcher Quelle es kam. Bling H2O, Fiji und all die anderen aber sind Lifestyleprodukte, für die eigens Flaschen entworfen werden. Da gibt es die tiefblau schimmernde, bauchige Flasche des walisischen Ty Nant, das an eine Whiskyflasche erinnernde Behältnis für das schottische Speyside Glenlivet oder den von Calvin Klein entworfenen Flacon für Voss. «Wer sich heute gesund ernährt, möchte das auch seiner Umgebung zeigen», sagt Anja Kirig. «Der richtige Lebensstil ist heute viel mehr Statussymbol als vielleicht eine teure Uhr oder ein schnelles Auto. Und da spielen Design, Ästhetik und Verpackung eine große Rolle.» Das finnische Wasser Veen etwa wurde für den Designpreis der Bundesrepublik 2009 nominiert, die höchste offizielle Auszeichnung in diesem Segment, laut Bundesregierung der «Preis der Preise», für den ein Produkt sich nicht bewerben, sondern nur nominiert werden kann. «Schon das ist eine große Ehre», sagt Finger.

Und die Werbung tut ihr Übriges: «Think Pure» lautet der Slogan von Voss, «Denke rein», 10 thousand BC wird von seinem Produzenten als «Luxury Glacier Water» beworben, als «luxuriöses Gletscherwasser», und der Hersteller von Fiji hat für sein Wasser den Slogan «Untouched By Man» erschaffen – «Unberührt vom Menschen». Die Botschaft: Wasser ist ein Naturprodukt, gesund und rein, aber so trendy und luxuriös, dass es einen direkt in die oberen Zehntausend katapultiert.

Doch auch in solchen Höhen gibt es ganz bodenständige Probleme. «Wir müssen jede Flasche, die wir importieren, mit einem deutschsprachigen Etikett versehen und natürlich das Logo des deutschen Pfandsystems aufkleben», sagt Guido Finger. Selbst auf Flaschen, die schlussendlich bei Sammlern im Regal landen. Für das Wasserdepot übernehmen diese Arbeit die Alsdorfer Behindertenwerkstätten. Dazu kommt, dass Finger die Pfandrücknahme sicherstellen muss – deutschlandweit. «Es ist schon ein seltsames Gefühl, eine Flasche für acht Euro oder sogar noch mehr zu kaufen und dann beim Händler 25 Cent Pfand zurück zu bekommen. Deutsche Gesetze.» Und natürlich beobachtet er die Rückgabequote seiner Produkte, die einige ausschließlich des Designs wegen kaufen, wie das bei Bling H2O vor allem wegen der Swarowski-Kristalle der Fall ist. «Da kommt nichts zurück.»

Es gibt jedoch schon wieder einen Gegentrend, zurück zum Leitungswasser, selbst in teuren Restaurants. Denn zum Gesundheitsaspekt komme immer mehr die Frage nach einer ökologisch und ethisch korrekten Lebensweise, so Anja Kirig. «Leitungswasser ist gesund und verursacht keinen Abfall, keine CO2-Belastung. Der Trend geht daher dazu, auch in Restaurants Leitungswasser zu servieren – als Alternative zu Markenwässern.» Dennoch glaubt sie, dass Luxusprodukte neben dem Wasser aus dem Hahn noch eine Weile ein Konsumententrend bleiben werden, aus dem sich aber zwei Extreme entwickeln: «Entweder sehr teures Wasser mit einem gewissen Mehrwert oder eben Leitungswasser.»

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