Von Boris Raseta - Uhr

Regierung will durchgreifen: Kroatien im Griff der Mafia

Die Mafia wird in Kroatien immer mächtiger. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen erschüttern Auftragsmorde das Land. Die Politik hat bisher nichts als markige Worte dagegen zu setzen.

Ivo Pukanic wurde Opfer eines Mafia-Anschlags. (Foto) Suche
Ivo Pukanic wurde Opfer eines Mafia-Anschlags. Bild: ap

Zuletzt erschütterte ein im Mafia-Stil verübter Doppelmord an bekannten Journalisten das Land. Nicht einmal drei Wochen nach der Ankündigung von Regierungschef Ivo Sanader, die organisierte Kriminalität nicht weiter zu tolerieren, musste er bei seinen Landsleuten heute erneut in martialischen Tönen um Vertrauen werben: «Wir werden mit der organisierten Kriminalität, der Mafia und dem Terrorismus vollständig abrechnen.»

Das erste Versprechen in dieser Richtung hatte Sanader bereits am 6. Oktober nach der Ermordung der prominenten Anwaltstochter Ivana Hodak (26) abgegeben. Sie war am helllichten Tag im Zentrum der Hauptstadt Zagreb getötet worden - nur wenige Meter von der Polizeizentrale entfernt. Sanader entließ daraufhin den Innenminister, die Justizministerin und den Polizeichef desLandes.

Anlass für das zweite Versprechen des Ministerpräsidenten war ein Sprengstoffanschlag gestern Abend in der Innenstadt Zagrebs. Bei dem blutigen Angriff kamen der einflussreiche Zeitungsverleger und Journalist Ivo Pukanic und einer seiner Mitarbeiter ums Leben. «Wer wird jetzt gefeuertω», übten sich die Zagreber in Galgenhumor.

Der in der Öffentlichkeit umstrittene Pukanic ist der erste kroatische Journalist, der nach dem Unabhängigkeitskrieg zwischen 1991 und 1995 ermordet wurde. Der Nationale Sicherheitsrat des Balkan-Staates kam bereits zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, die Regierung beschloss neue Maßnahmen im Kampf gegen die mächtige Unterwelt. Im Parlament wurden Stimmen für eine «Aktion Säbel» laut - ähnlich der gleichnamigen Anti-Mafia-Polizeiaktion, die die Behörden im Nachbarland Serbien im Frühjahr 2003 nach der Ermordung des damaligen Regierungschefs Zoran Djindjic durchführten.

Wieso jetzt in Kroatien Rechnungen aus dem Bürgerkrieg beglichen werden

Die möglichen Hintergründe des Pukanic-Mordes sind ohne Kenntnisse über das tief verflochtene Milieu der Akteure zur Zeit des Bürgerkrieges kaum zu verstehen. Die Schlüsselwörter lauten: Politik, Mafia und Schmuggel von Waffen, Zigaretten und Rauschgift. Kroatien gilt als dasjenige Balkan-Land, in dem die mächtigen Mafia-Clans am engsten kooperieren. Seit Jahren geht es um die Legalisierung der Reichtümer, die Mitglieder der organisierten Kriminalität anhäuften.

Pukanic soll in dieser Geschichte nicht immer im Abseits gestanden haben, wie seine Zagreber Kollegen sagen. «Die Namensliste der Feinde von Pukanic ist 1000 Seiten dick», heißt es heute im Massenblatt 24sata. Seine Freundschaften reichten derweil von Präsident Stjepan Mesic und Ministerpräsident Ivo Sanader bis zu Hrvoje Petrac, dem mutmaßlichen König der kroatischen Zigaretten- und Drogenmafia, der wegen Entführung im Gefängnis sitzt. Das behauptet jedenfalls der angesehene Journalist Tomislav Klauski.

Sogar die Staatsanwaltschaft musste inzwischen zugeben, dass der kroatische Staat im Kampf gegen die organisierte Kriminalität nahezu ohnmächtig ist. In einem Geheimbericht, der auf Umwegen in die Redaktion des Magazins Globus gelangte, schrieben die staatlichen Juristen: Die Mafia sei «in alle Poren der Gesellschaft tief eingedrungen» und die Sicherheitslage des Landes sei «katastrophal».

mik

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