Von news.de-Redakteur Sascha Gorhau - Uhr

Opel Vivaro gegen VW T5: Handwerk gegen Business

Zweimal gleich und doch so verschieden: Freizeit und Familie, Flexibilität und Fahrspaß wollen diese Raumgleiter unter einen Hut bringen. Trotzdem unterscheidet sie ihr Konzept des Großraummobils. Opel und VW im news.de-Test.

Im news.de-Vergleichstest: Opel Vivano Life Cosmo (links) und VW T5 Multivan (rechts). (Foto) Suche
Im news.de-Vergleichstest: Opel Vivano Life Cosmo (links) und VW T5 Multivan (rechts). Bild: news.de

60 Jahre sind eine lange Zeit. 1950 wartete Deutschland darauf, Fußballweltmeister zu werden und das Internet war noch Lichtjahre entfernt. Eines hat sich in all den Jahren aber nicht geändert: Ein Bus ist ein Volkswagen. Der «Bulli» ist der Deutschen liebster Lastenesel. Und dank verschiedener Aufbauten konnte er schon immer auf verschiedenen Hochzeiten tanzen: Handwerkerkarre, Nutzfahrzeug für Behörden und Feuerwehr – und erster Familienvan der Welt. Soweit die öffentliche Meinung.

Doch: Der «Bulli» war nicht der erste seiner Art. Ausgerechnet Dauerrivale Opel war schneller. Schon vor dem zweiten Weltkrieg bauten die Rüsselsheimer das Modell Blitz. Der war anfangs ein reiner Lkw, doch rasch erfüllte er die Funktionen, die den Bus aus Wolfsburg zum Volks-Wagen werden ließen.

Inzwischen ist der Blitz Vergangenheit. Erst 2001 besann sich Opel wieder auf seine Wurzeln und wagte sich mit dem Vivaro erneut ins Segment der Kleinbusse. Der Wagen ist eine Gemeinschaftsproduktion mit Renault-Nissan und flitzt auch unter den Namen Renault Trafic und Nissan Primastar durch die Lande.

180 Diesel-PS und Doppelkupplungsgetriebe

Volkswagen schickt seit 2003 die fünfte Busgeneration auf die Straßen, den T5. Der erhielt zum Modelljahr 2010 ein Facelift. Während die äußeren Veränderungen zurückhaltend sind, hat sich technisch mehr getan. Aus vier Zylindern und zwei Litern Hubraum mobilisiert der doppelt aufgeladene Turbo-Diesel 180 PS. Passend dazu bieten die Wolfsburger erstmals ein siebenstufiges Doppelkupplungsgetriebe (DSG) in dem Fahrzeug an. Wie schon in anderen Baureihen der Marke hinterlässt die Kombination aus starkem Diesel und DSG ein harmonisches Bild. Die Schaltstufen wechseln ruck- und verzögerungsfrei.

Erfreulich ist dabei der Verbrauch. Im Schnitt flossen 9,3 Liter Diesel durch die Drosselklappen. Das ist über einen Liter mehr, als die Herstellerangabe verspricht, und im Jahr 2010 beileibe kein Sparrekord. Beeindruckend bleibt es aber im Hinblick auf das massive Leergewicht von knapp 2,4 Tonnen und die Fahrzeugabmessungen, die die Dimension eines altdeutschen Wandschranks erreichen. Eingedenk dieser Rahmenbedingungen sind die Fahrleistungen in Ordnung: 200 km/h Höchstgeschwindigkeit zeigt der Tachometer an, für den Spurt auf 100 km/h vergehen 13,2 Sekunden.

Antrieb: Vorteil VW

In der Disziplin Antrieb kann der Rüsselsheimer nicht mit den Werten des VW mithalten. Das Aggregat verfügt zwar über 25 Liter Hubraum, also 500 Kubikzentimeter mehr als beim T5, ist aber lediglich mit einem Turbolader ausgestattet und produziert 146 PS. Das klingt nicht nach zu wenig Leistung, fühlt sich aber deutlich schwächer an als die Maschine des T5. Zudem kann der Vivaro seine einfache Aufladung zu keinem Zeitpunkt verleugnen und verfügt über ein Turboloch, das im Alltag stört.

Insgesamt bietet der «Bulli» einfach das harmonischere Fahrgefühl. Dazu trägt das Sechs-Gang-Getriebe des Opel bei. Es lässt sich gut bedienen, hat aber gegen das famose DSG einfach keine Chance. Das alles sorgt auch für einen höheren Verbrauch: Der Opel konsumierte im Testbetrieb knapp 9,5 Liter. Für Vielfahrer indes sind beide gleichermaßen mit 90 Litern Tankvolumen geeignet.

Auf langen und kurzen Strecken ist der Fahrkomfort ein Thema. Auch hier hat der Volkswagen die Nase vorn. Der Opel kann seine Handwerker-Gene einfach nicht verleugnen. Das mag auf dem Weg zur Baustelle keine Rolle spielen, im Familienalltag zwischen Kindergarten, Sportplatz und Jahresurlaub aber sehr wohl. Berganfahrassistent, Gespannstabilisierung oder Spurwechselassistent sind sinnvolle Optionen, die es eben nur im T5 gibt und die den Alltag erheblich entspannen können. Dazu ist die Geräuschkulisse im Innenraum angenehm leise und auch das Fahrzeughandling stimmt.

Dagegen ist der Vivaro ein echter Lieferwagen. Klar, auch der T5 leidet bauartbedingt unter verstärkten Nick- und Wankbewegungen. Doch in Kurven entwickelt der Opel deutlich mehr Eigenleben. Auch die Bremsen sind deutlich lascher als die des Wolfsburger Konkurrenten.

Viel Nutzfahrzeugflair im Innenraum des Opel

Opels Konzentration auf den Nutzaspekt setzt sich nahtlos im Innenraum fort. Materialien und Anmutung stammen auf den ersten Blick direkt aus der Nutzfahrzeuggilde – und fühlen sich leider auch so an. Das Navigationssystem übrigens kann man sich sparen: Es lässt in Sachen Bedienbarkeit und Optik Erinnerungen an Zeiten aufkommen, als Opels Qualitätsanspruch nicht mehr überzeugen konnte. Die meisten mobilen Navigationssysteme zwischen 100 und 150 Euro können mehr.

Der VW T5 untermauert in dieser Hinsicht seinen Pkw-Anspruch. Wären nicht die größeren Abmessungen, könnte man ohne weiteres in jedem anderen Volkswagen sitzen. Verarbeitung und Bedienbarkeit, alles ist auf gewohnt hohem Niveau.

Ein klarer Sieg für den VW also. Oder? Wer die Wahl hat, greift intuitiv zum T5. Doch den muss man erst einmal bezahlen können. Mit satten 66.000 Euro schlägt der Wolfsburger zu Buche. Eine irrwitzige Summe für junge Familien oder Unternehmungslustige. In diesem Kapitel schlägt die große Stunde des Opel Vivaro. Trotz freizeit- und reisetauglicher Westfalia-Ausrüstung in der sogenannten Life-Edition und der gehobenen Cosmo-Ausstattung inklusive langem Radstand liegt der Basispreis bei schlappen 33.155 Euro. Viel Geld für Sonderoptionen muss da nicht mehr eingeplant werden. Im Klartext: Zwei fast vollausgestattete Opel Vivaro sind zum Kurs eines von uns gefahrenen VW T5 zu haben.

Fazit: Dieser Test stellt fast idealtypisch heraus, dass ein Auto nicht zwangsweise besser oder schlechter sein muss als sein vermeintlicher Konkurrent. Vielmehr stellen unsere beiden Kandidaten zwei komplett unterschiedliche Interpretationen eines Konzepts dar. Der Opel macht diejenigen glücklich, die einen hohen Nutzwert erwarten und dabei Abstriche in Sachen Verarbeitung und Fahrkomfort machen können. Der VW sei allen ans Herz gelegt, die eine Turnhalle mit Pkw-Fahrverhalten wollen und höchste Ansprüche an Komfort, Prestige und Verarbeitung stellen. Für alle anderen ist der Opel Vivaro absolut ausreichend. Obwohl er niemals den Kultstatus und die damit verbundenen Emotionen des «Bulli» erreichen wird.

ham/reu/news.de

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