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Sarah Connor: SIE wirft Radiosendern Homophobie nach "Vincent"-Zensur vor

Der neue Song "Vincent" von Sarah Connor spaltet Deutschland. Einige Radiostationen boykottieren den Song aufgrund seiner polarisierenden Anfangszeile. Nun meldet sich eine Regisseurin zu Wort und wirft den Radiosendern Homophobie vor.

Sarah Connor reagierte verständnislos auf den Radio-Boykott ihres Songs "Vincent". (Foto) Suche
Sarah Connor reagierte verständnislos auf den Radio-Boykott ihres Songs "Vincent". Bild: dpa

Seit knapp einer Woche ist das neue Album "Herz Kraft Werke" von Sarah Connor (38) auf dem Markt. Doch ganz Deutschland spricht vor allem über einen Song: "Vincent". In dem Song geht es um einen Jungen, der sich als homosexuell outet. Für den schwierigen Weg, den der Jugendliche beschreiten muss, findet die Sängerin klare Worte. Worte, die nicht bei jedermann gut ankommen. Vor allem durch die Anfangszeile von "Vincent". "Vincent kriegt keinen hoch, wenn er an Mädchen denkt."

Sarah Connor zum Radio-Boykott ihres Songs "Vincent"

Aufgrund dieser Zeile boykottieren einige Radiosender den neuen Song der 38-Jährigen. Bei einigen Radiosendern läuft "Vincent" gar nicht, andere spielen eine "entschärfte" Version. Für Sarah Connor ein in keinster Weise nachvollziehbares Vorgehen. Die Sängerin hat verständnislos auf die Ablehnung ihres Songs bei einigen Rundfunksendern reagiert. In einem RTL-Interview sagte die Musikerin: "Wir tun ja immer so, als wäre es überall, als wäre es völlig in Ordnung, und dann bringt es ein Song auf den Punkt, und dann gibt's plötzlich Ressentiments." Connor sieht in ihrem Song einen Gesprächsanstoß: "Ich finde, man sollte es als Chance ergreifen, darüber zu sprechen." Sie habe den Song ihrer Plattenfirma und ihren Kindern vorgespielt. "Ehrlich gesagt gab es niemanden, der nicht am Ende des Songs verstanden hat, dass es um Liebe geht."

Nach Boykott des neuen Sarah-Connor-Songs: Regisseurin spricht von Homophobie

Auch bei Regisseurin Anika Decker ("Traumfrauen")sorgt der Boykott der Radiostationen für Unverständnis. Auf Instagram meldete sich die 43-Jährige zu Wort und wirft den Radiostationen Homophobie vor. "Liebe homophobe Radiostationen, ihr spielt ernsthaft ‚Vincent' von @sarahconnor nicht, aus Angst um die Jugend??? ‚Vincent kriegt keinen hoch wenn er an Mädchen denkt', ich krieg keinen mehr hoch wenn ich an euch denke!"

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Antenne-Bayern-Programmdirektorin erklärt "Vincent"-Boykott

Doch ist es tatsächlich Schwulenfeindlichkeit, welche die Sender zu dieser Entscheidung bewogen hat? Wohl kaum.Ina Tenz (47), Programmdirektorin bei "Antenne Bayern", welcher das Lied "entschärft" spielt, sprach mit der "Bild"-Zeitung und erklärte die Gespräche, die im Vorfeld bei ihrem Sender stattfanden.

Darum spielt Antenne Bayern die "entschärfte" "Vincent"-Version

"Aus programmverantwortlicher Sicht als Familiensender haben wir uns gefragt: Hätte ein solcher Song den ersten Satz, ein so hart gezeichnetes Bild gebraucht, wenn Eltern zwischen dem Einkaufsladen und dem Badesee von ihren kleinen Kindern gefragt werden, was das bedeutet. Und für viele Vincents könnte es auch ein Spießrutenlauf werden. Wenn die Zeile aus dem Zusammenhang zum Hänseln genutzt wird." Erklärt aber auch: "Ich war blitzverliebt in das Lied. Es ist musikalisch toll und die Aussage auch."

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Schwulenverband: Debatte um Connor-Lied offenbart allgemeines Problem

Die Diskussion um Sarah Connors neuen Song "Vincent" zeigt aus Sicht des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) Probleme beim offenen Umgang mit Homosexualität. "Sobald es um schwule oder nicht-heterosexuelle Sexualität geht, wird es schwierig", sagte Sprecher Markus Ulrich am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Im Song "Candy Shop" von Rapper 50 Cent etwa gehe es um eindeutig sexuelle Inhalte - das sei ebenso wenig ein Problem gewesen wie Udo Jürgens, der als älterer Mann sang: "17 Jahr', blondes Haar".

In dem neuen Lied der 38-jährigen Popsängerin Connor geht es um Verwirrung und Schmerz in der Liebe - unter anderem bei einem Jungen, der erkennt, dass er schwul ist. Manche Radiosender stören sich an dem ersten Satz "Vincent kriegt kein' hoch, wenn er an Mädchen denkt" und wollen diesen oder das gesamte Stück deswegen nicht senden. Connor sieht in ihrem Song hingegen einen Gesprächsanstoß.

Einige Sender begründeten ihre Entscheidung mit einem familienorientierten Programm. Grundsätzlich finde man jedoch, dass Connors Stück "das richtige Lied an der richtigen Stelle" sei, betonte etwa Programmkoordinator Daniel Stupp von Hitradio Antenne 1 in Stuttgart, der im Tagesprogramm eine entschärfte Version ausstrahlt.

Die Debatte ist für LSVD-Sprecher Ulrich verkrampft, die Kritik am Wort "Hochkriegen" vorgeschoben. "Das sind Themen, die Jugendliche bewegen, die gehen da viel offener mit um." Das Jugendmagazin "Bravo" habe solche Themen schon vor 20 Jahren in der Rubrik "Dr. Sommer" aufgegriffen. "Da hat auch keiner gesagt, die darf nur an über 18-Jährige verkauft werden", sagte Ulrich.

Der LSVD begrüße, wenn verschiedene Formen von Liebesbeziehungen in der Popkultur gezeigt werden. "Es ist auch gut, wenn sich Sarah Connor als Prominente positioniert", so Ulrich. Im deutschsprachigen Raum gebe es recht wenige Musiker, die explizit die Homo- und Trans-Szene bedienten und zugleich ein breites Publikum erreichten. Die Band Rosenstolz etwa habe das am Ende geschafft, sowie jüngst Helene Fischer und Kerstin Ott mit dem Song "Regenbogenfarben".

Wirbel um neuen Sarah-Connor-Song: Auch diese Songs sorgten für einen Aufschrei

"Vincent" ist bei weitem nicht der erste Song, der es in Deutschlands Radios schwer hat.Besonders für Skandale bekannt: Falco (1957-1998). Im Jahr 1985 besang er in "Jeanny" Entführung und Missbrauch einer Minderjährigen aus Tätersicht - so war zumindest die Interpretation vieler Hörer. Während der Tabubruch sich für die Plattenfirma ordentlich auszahlte, verzichteten viele Radiostationen auf den Song des Österreichers. Bereits Falcos Titel "Ganz Wien (...ist heut auf Heroin)" war mit einem Sendeverbot im österreichischen Radio belegt worden. Auch der Gute-Laune-Hit "Der Kommissar" stieß vielerorts auf große Skepsis.

Behörden-Stopp statt Radio-Boykott bei den Ärzten

Andere Lieder wurden schon vor einem möglichen Boykott von Behörden gestoppt. Vorübergehend Rekordhalter an Indizierungen durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften war die Berliner Punk-Band "Die Ärzte". So durfte der Titel "Geschwisterliebe" Jugendlichen unter 18 Jahren nicht zugänglich gemacht werden. In dem Lied von 1987 besang die Gruppe um Farin Urlaub Geschlechtsverkehr zwischen Bruder und Schwester.

Ebenfalls ein Dorn im Auge war Jugendschützern immer wieder die Band Rammstein. Das Album "Liebe ist für alle da" landete 2009 auf dem Index der Prüfstelle. Zur Begründung hieß es, einer der Songs würde Gewalt verherrlichen und zu ungeschütztem Sex animieren. Später hob ein Gericht die Entscheidung wieder auf.

Juli-Song "Die perfekte Welle" aus Radios verbannt

Doch es muss nicht immer um Brutalität oder gezielte Provokationen gehen. Mancher hatte einfach Pech. Definitiv nichts zuschulden kommen lassen hatte sich die Pop-Gruppe Juli, als Radiosender in ganz Deutschland und Österreich 2004 ihr Lied "Die perfekte Welle" aus dem Programm nahmen. Hintergrund war eine verheerende Flutwelle mit Zehntausenden von Opfern in Asien. Die Senderverantwortlichen nannten Pietät und Anstand als Gründe für ihre Entscheidung.

/loc/news.de/dpa

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